Prägende Einflüsse
Vier Bereiche prägen meine berufliche Entwicklung:
Kinderschutzarbeit
Familien, in denen es Gewalt und Vernachlässigung gibt, sind ein Hochrisikobereich. Sowohl innerhalb der Familien als auch in den umgebenden Strukturen: Schule, Jugendamt, Klinik, herrschen Angst und Ohnmacht. In hoher Anspannung entsteht ein berechtigter Entlastungswunsch, der oft zum Handlungsdruck wird und die realistische Einschätzung von Ressourcen und Defiziten aller Beteiligten verhindert.
Besonnenheit und Beharrlichkeit, Verbindlichkeit und Zuversicht führen zur Erfahrung, dass auch als aussichtslos erlebte Situationen zu bewältigen sind.
24 Jahre (1975 – 1999) war ich konzeptuell und praktisch im Kinderschutzzentrum Berlin tätig. Diese Modelleinrichtung leitete eine Neuorientierung im Kinderschutz in der damaligen Bundesrepublik ein und wurde zum richtungsweisenden Vorläufer für das erste Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz (KJHG). Meine Arbeitsschwerpunkte waren Familientherapie in Fällen von Kindesmisshandlung, Leitung von Fortbildungen für die öffentliche Jugendhilfe und schließlich die Leitung des Kinderschutzzentrums Berlin. Viele Jahre war ich Sprecher im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren.
Leitung von Organisationen
Die besondere Herausforderung bei der Leitung von Organisationen besteht darin zu erkennen, in welcher Weise (offizielle wie inoffizielle) Hierarchien wirksam sind, wie sie das Verhalten aller Mitarbeiter einschließlich des eigenen beeinflussen und welche Position der Leitung selbst dabei zukommt. Das Innehaben von Macht verändert das eigene Verhalten, ohne dass damit auch zwangsläufig eine Erweiterung der Selbstwahrnehmung verbunden wäre. Organisationen und Teams unter kritischer Einbeziehung der eigenen Funktion verstehen zu können, ihre Grenzen und ihre Potenzen zu erkennen, Hindernisse zu benennen und zu ihrer Beseitigung beizutragen und dadurch die Gestaltungsfähigkeit zu stärken, können die Leitungsfunktion zu einer lohnenden und befriedigenden Aufgabe machen.
Ich habe mehrere Jahre das Kinderschutzzentrum Berlin geleitet, war neun Jahre lang Vorsitzender des Instituts für Gruppenanalyse Heidelberg und bin von Oktober 2011 bis zum 5. November 2017 Vorsitzender der neu gegründeten Deutschen Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie (D3G) gewesen.
Supervision
Die Supervision der eigenen Arbeitsgruppe – sei es ein kleines Team von 3 Mitarbeitern oder ein Institut oder Verein mit 50 oder mehr Mitarbeitern – ermöglicht einen Blick auf die eigene Arbeit, deren Bedingungen, Strukturen, Verwicklungen und Hemmungen. Es ist also nicht der Supervisor, der „über“ (super) die Arbeit „schaut“ (vision) oder urteilt, es sind die Beteiligten selbst, die in der Supervision die Übersicht über ihren Arbeitsplatz, ihr Team, ihre Aufgabe gewinnen wollen. Eine leitende Frage für den Supervisionswunsch ist oft: Wer sind wir? Wer sind wir nicht?
Dem Supervisor kommt dabei die Aufgabe zu, einen sicheren Rahmen für diesen Prozess zur Verfügung zu stellen, die oft unbewusst wirksamen Überzeugungen und Ideologien der Gruppe zu erkennen, sie darauf aufmerksam zu machen und sie auch darauf aufmerksam zu machen wie sie mit schwierigen Einsichten umgeht und Veränderungen vermeidet. Seine Erfahrung aus der Arbeit mit unterschiedlichen Arbeitsbereichen schärft seine Differenzierungsfähigkeit und erleichtert es ihm, sich starken Gruppenzwängen zu entziehen.
Nachdem ich als Teilnehmer lange bestehender Supervisionsgruppen von der Effektivität dieser Methode profitieren konnte, entschloss ich mich zur Ausbildung zum Gruppenanalytiker. Seit 1999 habe ich meine eigene Praxis aufgebaut und zahlreiche Teams und Organisationen in ihrer Alltagsarbeit oder in Krisensituationen begleitet. Mehr darüber können Sie unter Tätigkeitsfelder lesen.
Seefahrt
Als letzten, aber nicht geringsten prägenden Einfluss möchte ich meine vierjährige Berufserfahrung als Seemann, ganz am Beginn meiner Berufstätigkeit anführen.
Wohl selten befindet sich eine Gruppe von Menschen in solcher Abgeschiedenheit und in solch unbedingtem aufeinander Angewiesen sein, wie auf einem Schiff auf hoher See. Eindeutigkeit von Hierarchien und Funktionen, klare Aufgabenverteilung und Verantwortungsbewusstsein ist nicht nur für die Erfüllung des Auftrages nötig, sondern unter Umständen lebensrettend. Die Bedingungen eines Schiffs verlangen andere Strukturen, als diejenigen einer Klinik oder einer Wohngruppe. Eindeutigkeit, klare Aufgabenverteilung und Verantwortungsbewusstsein, die von allen getragen werden, sind jedoch in jeder Arbeitsgruppe nötig. Sie schaffen einen sicheren Rahmen und verringern dadurch die Angst.
Auf meinen Erfahrungen beim Durchstehen von Stürmen und anderen Gefahren gründet mein Vertrauen, dass das Bewältigen von Konflikten und das Überwinden von Angst und Not möglich sind.